Donnerstag, 18. September 2014

Resumé



Nun bin ich wieder zuhause im Glück! Um dieses Abenteuer abzuschliessen, muss ich nur noch meinen Bericht von gestern hochladen. Leider war im Zug kein Internet zu finden. Selbst mit meinem USB-Stick war eine Verbindung unmöglich.

Hier also noch meinen letzten Beitrag von gestern:

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Nun sitzen wir also in diesem Zug von Santiago de Compostela nach Alicante. Mit ein paar Minuten Verspätung sind wir um 09:09 los gefahren. Das Wetter ist nach wie vor grässlich. Heute Nacht hat es geschüttet, nur gut, dass wir nicht mehr mit dem Velo unterwegs sind. Es regnet immer noch und ist sehr windig. Hier im Zug ist es angenehm warm und komfortabel derweil wir mit einer Spitzengeschwindigkeit von etwa 200 km/h durch die Landschaft brausen. Leider ist dies kein Hochgeschwindigkeitszug, daher brauchen wir etwa 5 ½ Stunden bis Madrid. Dann noch einmal 3 ½ Stunden bis Alicante. Wir haben ja Zeit, haben sonst nichts zu tun.

Gestartet in Pamplona haben wir innerhalb von 13 Tagen insgesamt 758 km zurück gelegt. Alles natürlich gemäss meinem Fahrradcomputer. Andere mögen andere Angaben haben. Für mich allerdings waren die täglichen Kilometerangaben immer ein Gradmesser für die Muskelschmerzen.

Müde und abgekämpft waren wir abends auch etwas empfindlich. Ab und zu haben wir uns daher gestritten, wie ein altes Ehepaar. Nach einer warmen Dusche und in frischer Kleidung haben wir anschliessend wieder ein Bier zusammen getrunken und gelacht. Das ist wohl normal, wenn zwei (ältere) Männer zusammen eine Reise unternehmen, die sich vor einem Jahr noch nicht gekannt hatten. Heute wissen wir schon etwas mehr voneinander.

Und dennoch habe ich mir überlegt, dass, falls ich so etwas Ähnliches nochmals machen würde, dass ich das alleine tun würde. Wirklich frei habe ich mich nämlich  immer nur dann gefühlt, als wir uns unterwegs verloren hatten. Irgendwo haben wir uns aber immer wieder getroffen. Wo? Richtig: in einem der vielen Restaurants unterwegs.

(Zu Hause treffen wir uns jeweils jeden Freitagnachmittag mit Freunden und Frauen bei Günther zum Schwatz. Wir werden also einiges zu erzählen haben.)

Das mit den 200 km/h war wohl nur ein Test. Wir tuckeln nämlich mit nur gerade mal 100 km/h durch die Gegend und stoppen an jedem Güterschuppen. Die Landschaft hier südlich von Santiago ist eher trostlos. Bis zum Horizont riesige, unbebaute Flächen. Ab und zu mal ein eingefallenes Haus. Verlassen. Erst wenn man Madrid näher kommt, wird es fruchtbarer. Grosse Plantagen und riesige, abgeerntete Getreidefelder.


 

 Cafeteria im Zug
 Endlose Weiten

In 2 ½ Stunden werden wir in Madrid erwartet. Dort müssen wir umsteigen und haben dazu 1 Stunde Zeit. Genügen, um etwas zu essen und eventuell diesen Bericht fertig zu schreiben und eventuell sogar hochzuladen.

Jetzt erst, etwa eine halbe Stunde vor Madrid gibt er endlich Gas!!  Höchstgeschwindigkeit ist offenbar 238 km/h – schneller geht’s nicht. Endlich in Madrid. Raus aus dem Zug – rein in’s Restaurant. Die kulinarische Auswahl ist doch recht beschränkt. Ein Bier und ein Bocadillo (Eingeklemmtes) müssen reichen. Zum Verlassen den Bahnhofs reicht die Zeit nicht. Endlich wird unser Zug aufgerufen. Und dann geht es weiter Richtung Heimathafen!

Ich habe etwas mehr im Gepäck als bei der Abreise! Viele Eindrücke und eine grosse Erfahrung reicher!

Dienstag, 16. September 2014

Palas de Rey – Santiago de Compostela 70,64 km



Schon im Halbschlaf hatte ich das Gefühl, dass heute etwas nicht stimmt. Die Rollgeräusche der Autos tönten nach nasser Fahrbahn. Und tatsächlich, nachdem es hell wurde konnte man sehen, dass es stark regnete. Mist, was machen wir jetzt? Die Wettervorhersage online sagt Regen voraus für die nächsten 4 Tage. Also, entweder hier bleiben oder im Regen los fahren. Eigentlich war es ganz klar, wir mussten weiter. Wie sagte doch Karl Valentin? „Ich freue mich wenn es regnet. Denn, wenn ich mich nicht freue, regnet es trotzdem.“

Zum Glück hat es dann nach 8 Uhr aufgehört zu regnen. Sofort Regenausrüstung anziehen (für alle Fälle) und ab die Post. Es schien dann so, dass wir enormes Glück hatten.


Die Strecke war alles andere als einfach. Immer wieder bergauf, bergab, bergauf, bergab. Wir gaben unser Letztes, wollten unbedingt Santiago heute noch erreichen. Kilometer lange Aufstiege wurde mit, leider nur kurzen, Abfahrten belohnt. Mein Windjackentrick hat nicht mehr wirklich funktioniert. Beim Fahrradschieben bergauf geschwitzt, bis alles von innen nass war. Dann vor der Abfahrt die Jacke umstülpen und während der Abfahrt trocknen lassen. Ein paar Mal hat das geklappt, aber am Schluss waren beide Seiten nass geschwitzt.

Eigentlich hat es keine grosse Rolle mehr gespielt, denn kurz vor Santiago hat es uns nochmals heftig erwischt. Nur ein paar Minuten. Aber es hat gereicht, uns völlig zu durchnässen. Klar, was sonst!
Endlich hatten wir dann unser Ziel erreicht. Die Stadtgrenze von Santiago de Compostela.

Und natürlich ein Bier im ersten Restaurant.

Nun ging die Suche nach einem Zimmer los. Eines kam für mich überhaupt nicht in Frage, nämlich eine Herberge. Ich habe von Herbergen bis oben hin genug. Nach dieser Anstrengung will ich mich belohnen und nicht noch mit einem Massenlager bestrafen. Beim dritten Anlauf hatten wir dann Erfolg: ein wunderschönes Doppelzimmer. Erst mal warme Dusche und trockene Kleidung. Dann ging es auf zum Bahnhof – Ticket kaufen. Bereits morgen früh um 09.05 Uhr geht unser Zug in Richtung Heimat!

Dann endlich die Suche nach einem geeigneten Restaurant. Touristen essen ja meistens Tapas oder Bocadillos (Eingeklemmte) und solchen Schrott. Es war gar nicht so einfach ein Lokal zu finden, wo ich mein heiss begehrtes Solomillo de ternera (Rinderfilet) bekommen konnte. Aber wir Schweizer sagen immer: „Wer nöd lugg lat, dä günnt). Es war einfach herrlich. Zur Vorspeise Chipirones a la plancha (kleine Tintenfische), dann das Solomillo mit einem Glas schönen Rotwein. Zum Dessert dann einen Cafe solo (Expresso) begleitet von einem Carlos I!

Und nun sitze ich im Zimmer, schreibe diese Zeilen, derweil der Regen an die Fenster prasselt. Ein Geräusch, das ich schon gar nicht mehr kenne.

Also dann, gute Nacht und bis morgen …….

Montag, 15. September 2014

Sarria – Palas de Rey (harte) 48,68 km



Die heutige Etappe stand ganz im Zeichen der Natur (und des Aufstiegs)! Kurz nach Sarria ging's schon los. Anstieg vom Feinsten. Weil wir noch frisch waren, ging es einigermassen. Eine kleine Episode von hier:

Auf dem Randstreifen, wo wir mühsam die Steigung meistern, kriecht eine Nacktschnecke (Waldschnägg uf Schwyzerdütsch) in Richtung der anderen Strassenseite. Diesen Jakobsweg hätte er wohl nicht überlebt. Also habe ich ihn umgedreht, sodass er wieder Richtung Grasnarbe kriechen kann. Hoffentlich war er so schlau und hat diese Richtung beibehalten!

Nicht, dass Ihr auf den Gedanken kommt, wir würden nur den Landstrassen folgen. Ab und zu fühlten wir uns wie Mountainbiker.

 


 Auch Einheimische haben wir angetroffen ...
 Die Anstrengung ins Gesicht geschrieben ...

Hier noch eine kleine Episode, zur Veranschaulichung der Verblödung der Menschheit:

Auf diesen unsäglich schmalen Wegen, eher einem Bachbett gleichend, überholen wir natürlich den einen oder anderen Fussgänger. Dazu haben wir am Lenker eine kleine Glocke montiert. Meistens reicht es, aus etwa 10 Metern Distanz die Pilger auf uns aufmerksam zu machen. Dann machen sie einen Schritt zur Seite und alles ist gut.

Aber heute habe ich in einer solchen wirklich engen Stelle ein Paar überholen wollen. Auf mein dezentes Klingeln hin ist die Frau zur Seite getreten und ich konnte sie problemlos passieren. Der Mann jedoch ging genau in der Mitte des ohnehin schmalen Weges weiter. Ich klingle nochmals – keine Reaktion. Ich klingle nochmals – nada. Seine Frau ruft nach ihm – keine Reaktion. Als ich ihn ganz langsam passiere erschrickt er und dreht sich um.

Ich glaube es nicht: Mit zwei Ohrstöpseln ist er am Handy beim Telefonieren. Und das auf dem Jakobsweg!!!!! Hallooooo schöne, neue Welt!

Und ja …..   die Strecke war extrem fordernd. Aufstieg folgt Abfahrt folgt Aufstieg folgt Abfahrt.

Am Schluss haben wir es geschafft. Wir sind am Ziel eingetroffen. Meinen Herzenswunsch konnte leider die Galizische Gastronomie in Palas de Rey nicht erfüllen: ein Solomillo (ein Rinderfilet) zum Abschluss des Tages.

Im Restaurant gleich nebenan haben sie mich dann glücklich gemacht: Frischen Pulpo direkt aus der Pfanne auf den Holzteller, mit etwas Olivenöl überzogen. Dazu ein Glas (oder zwei) Weisswein.  Ahhhhhh !



Morgen beenden wir unsere Reise in Santiago de Compostela. Es sind ja bloss noch etwa 65 Kilometer, ein Pappenstiel für unsere durchtrainierte Beine!!

Samstag, 13. September 2014

Rabanal del Camino - Villafranca del Bierzo 61,56 km



Ganz am Anfang unserer Reise hat mein Schwager mich gefragt : „Warum tust du dir das an?“  Genau das habe ich mich letzte Nacht und heute früh auch gefragt: „Warum tue ich mir das an? Hier und heute ist für mich Schluss!“  Ich schufte hier bis an meine Grenze und bestrafe mich nachts mit einem Massenlager. Am Anfang sah ja alles noch gut aus, wir waren die Ersten. Aber nach und nach hat sich das Massenlager (36 Plätze) gefüllt.

Ich habe bestimmt nicht länger als 4 Stunden geschlafen. Abends Riesenlärm und nachts Türe knallen. Es steht zwar in vier Sprachen „Bitte Türe schliessen“ aber sie haben vergessen zu schreiben „Bitte Türe leise schliessen.“  Um genau 2:16 Uhr ist vermutlich einer aus dem Bett gefallen. Ich weiss nicht, wie viele dadurch wach geworden sind, ich bin’s jedenfalls! Und dann war’s vorbei. Francisco schnarcht zwar sehr, sehr laut. Aber heute Nacht hat er den Wettstreit gegen zwei andere im Saal verloren. Um vier Uhr klingelt doch tatsächlich ein Wecker irgendwo im Raum. Ich drehe fast durch. A propos Durchdrehen: Immer vier Betten sind zusammen geschraubt. Das hat den Vorteil, dass, wenn einer sich dreht, alle geschüttelt werden. Und nicht vergessen: jeder, der auf die Toilette musste, knallt geflissentlich die Türe zu.

Gestern Abend hatte ich noch kleine Wäsche. Nicht viel, nur ein T-Shirt, eine Unterhose und die Socken. Und auch das Frottiertuch vom Duschen. Heute früh habe ich aber festgestellt, dass das Frottiertuch fehlt. Es muss ein ganz besonderer Spass sein, ein Frottiertuch zu klauen. Ein Fusspilz und zehn Blasen mögen den Schuft begleiten!!!!!!

Nun aber zum heutigen Weg. Kurz und bündig: es war grässlich. Meistens ging’s bergauf. Einzig die Abfahrt nach Ponferrada hat mich für die Mühe belohnt. Von diesen 61 Kilometern haben wir sicher die Hälfte unsere Fahrräder gestossen.

Na ja, ein paar schöne Momente gab es natürlich trotzdem. Zum Beispiel haben wir beim eisernen Kreuz, unmittelbar nach dem schlimmsten aller Aufstiege, die Sünden unserer Frauen (wir selben haben ja keine) in Form eines mitgebrachten Steins deponiert. 

Kurze Rast beim Aufstieg zum eisernen Kreuz.


 
Hier deponieren wir gerade die Sünden unserer Frauen

Und nun hocke ich wieder in einer Herberge, umgeben von etwa 100'000 Fliegen, nur weil der Besitzer versprochen habe, uns und unsere Fahrräder morgen über den Berg zu transportieren. Mal sehen, ob das auch wahr ist. Jedenfalls eines tue ich mir nicht mehr an:

Das Velo über die nächsten Berge zu schleppen!  Ich weiss wohl, dieser Eintrag tönt nicht gerade gut. Kurz vor dem Aufgeben. Aber morgen ist alles wieder ganz anders. Neuer Tag, neues Glück. Aber heute bin ich wirklich am Anschlag.